Der Wirtschaftsausschuss des Hessischen Landtags hat heute mit Wohnungsexperten aus Verbänden, Behörden und der Wissenschaft die Pläne für ein Gesetz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum erörtert. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hatte die SPD-Landtagsfraktion im Februar vorgelegt.
Die wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Elke Barth, sah sich nach der Anhörung bestätigt: „Die deutliche Mehrheit der vom Ausschuss befragten Fachleute unterstützt das Ansinnen meiner Partei, den Städten und Gemeinden in Hessen wieder mehr Möglichkeiten im Kampf gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum zu geben“, sagte sie am Mittwoch in Wiesbaden.
Zu der Anhörung eingeladen war unter anderem eine Vertreterin der Stadt München, die sich sehr positiv über die Wirkung des Bayerischen Zweckentfremdungsgesetzes äußerte. Sie berichtete, dass allein in München im vergangenen Jahr rund 3000 Wohnungen wegen des Verdachts auf Zweckentfremdung kontrolliert worden seien. In 370 Fällen seien die Verdachtsmomente bestätigt und die betreffenden Immobilien mit behördlichen Maßnahmen wieder dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt worden. Auf diese Weise habe die Landeshauptstadt München in nur einem Jahr mehr als 24.000 Quadratmeter Wohnraum gerettet.
Die Vertreterin der Stadt Frankfurt berichtete, dass in der größten Stadt Hessens von 1985 bis 2004 etwa 9000 zweckentfremdete Wohnungen identifiziert und wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung – dem Wohnen für Menschen – zugeführt werden konnten. Auch bestätigte sie, dass es durchaus in den sogenannten Gründerzeitvierteln ein Problem sei, dass immer mehr Wohnungen durch Arztpraxen, Büros und Kleingewerbetreibende ersetzt würden und somit auch ein Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Wohnraum in Gewerbe sinnvoll sei. Seit 2004 verfüge die Stadt allerdings nicht mehr über die Möglichkeit, gegen Wohnraumzweckentfremdung vorzugehen, weil die damalige CDU-Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch das entsprechende Gesetz außer Kraft gesetzt habe.
Dazu sagte Elke Barth: „Die Anhörung hat sehr eindeutig gezeigt, wie sinnvoll es ist, den Kommunen ein wirksames Instrumentarium gegen die Zweckentfremdung von Wohnungen an die Hand zu geben. Selbst in Bayern existiert ein entsprechendes Gesetz – und die bayerische Staatsregierung, die seit über 60 Jahren von der CSU geführt wird, steht nun wirklich nicht im Verdacht, der Marktwirtschaft oder den Interessen der Immobilienbesitzer schaden zu wollen. Eigentum verpflichtet, Wohneigentum verpflichtet ganz besonders – in Bayern und anderen Bundesländern scheint man das verstanden zu haben, im schwarzgrünen Hessen nicht.“
Barth berichtete, der Regionalverband gehe davon aus, dass alleine in der Metropolregion Rhein-Main bis 2030 über 180.000 Wohnungen zusätzlich gebraucht würden. In dieser Situation sei es geradezu verantwortungslos, wenn die Landesregierung auf wirksame Maßnahmen gegen die Wohnraumzweckentfremdung verzichte. „Bislang beharrt Schwarzgrün auf dem Standpunkt, dass die Zweckentfremdung auch in Zeiten extremer Wohnungsnot kein Problem darstellt und dass Hessen deswegen kein Gesetz dagegen braucht. Das ist nicht nur ignorant sondern steht auch im klaren Widerspruch zum noch nicht einmal einem Jahr alten grünen Landtagswahlprogramm, welches ein Vorgehen gegen Zweckentfremdung und spekulative Leerstände verspricht“, sagte Elke Barth.
Bemerkenswert in der Anhörung sei auch die Tatsache, dass inzwischen mehrere Initiativen, wie der Mieterbund Höchster Wohnen, Leerstände in Eigenregie erfassten, da das Land die gesetzlichen Voraussetzungen für eine offizielle Erfassung durch die Stadt verwehre. Barth verwies auf die Stellungnahme des Deutschen Mieterbundes, der die SPD-Initiative für ein Zweckentfremdungsgesetz unterstütze, weil jede Wohnung, die nicht vom Markt verschwinde, auch nicht durch teureren Neubau ersetzt werden müsse. „Neubauten benötigen Zeit, verbrauchen Land und sind am Ende deutlich teurer als Bestandswohnungen. Zweckentfremdungen zu unterbinden dämpft daher auch die Preise auf dem Wohnungsmarkt und den Flächenverbrauch in unserem Land. Der Widerstand der schwarzgrünen Landesregierung, sowie insbesondere auch der grünen Landtagsfraktion, die sich an der heutigen Anhörung im Übrigen kaum beteiligte, gegen ein entsprechendes Gesetz ist deswegen rational nicht zu erklären“, resümierte Elke Barth.