Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Christoph Degen, sagte am Freitag im Rahmen der Pressekonferenz zum Schuljahresauftakt in Wiesbaden: „Der zu erwartende erhebliche Lehrkräftemangel an Hessens Schulen ist dramatisch. Dabei sind gut ausgebildete Lehrkräfte entscheidend, um Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern zu steuern und für gleiche Bildungschancen zu sorgen.“ Stattdessen setze die Landesregierung auf Laien als Lehrer, die mit Kettenverträgen bis zu fünf Jahre unterrichten, ohne dafür qualifiziert zu werden. „Im Anschluss daran setzt man diese Vertretungslehrkräfte auf die Straße“, kritisiert Degen. „Der bestehende Mangel an Lehrkräften ist somit hausgemacht. Zugleich zeigt die sinkende Zahl der Absolventinnen und Absolventen im Lehramtsstudium, dass Kultusminister Lorz, aber auch der ehemalige Wissenschaftsminister und jetzige Ministerpräsident Boris Rhein, viel früher hätten gegensteuern müssen, um diesem sich abzeichnenden Mangel früher zu begegnen.“

Auch beim Ausbau von Ganztagsschulen komme Hessen nicht voran. „Das Schönreden muss ein Ende haben. Nur weil ein Schulträger sich am ‚Pakt für den Nachmittag‘ beteiligt, sind noch längst nicht alle seine Schulen im Ganztag.“ Zudem finanziere das Land den Ganztag so dürftig, dass vom Geldbeutel der Eltern abhänge, wer und ob überhaupt der Ganztag in Anspruch genommen werde. „Das hat mit Chancengleichheit nichts zu tun“, so Degen. Der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung dürfe nicht nur auf dem Papier bestehen. „Er muss in ganz Hessen gelten, in jedem Stadtteil und in jedem Dorf, für alle Grundschulkinder und wohnortnah. Das Prinzip ´kurze Beine, kurze Wege` darf nicht mittags um 12 Uhr enden.“

Schwarzgrün blende die Öffentlichkeit aber auch mit ihren angeblichen Vorzeigeprojekten. Das neue Schulfach „Digital Welt“ sei jedoch keineswegs ein Fortschritt. „Ein neues Fach, dass gerade mal an 12 von rund 500 weiterführenden Schulen unterrichtet wird, ist keine Sensation und bringt nichts. Es ist nur ein Wahlangebot, nicht versetzungsrelevant und es bleibt vollkommen unklar, ob es jemals in der Fläche ausgerollt wird. So hilft es niemandem.“ Auch eine zusätzliche Deutschstunde in den Grundschulen sei nichts, wofür es sich zu feiern lohnt. Und ob diese Stunden aufgrund des Lehrermangels erteilt würden, sei sowieso nicht sicher. Die „Zusatzstunde“ stehe außerdem in krassem Widerspruch dazu, dass erst vor Kurzem die Standards für das Deutschlernen von geflüchteten Schülerinnen und Schülern massiv abgebaut wurden.

Ob das Videokonferenzsystem nun nach mehreren Fehlversuchen den tagtäglichen Anforderungen im Volllastbetrieb gerecht werde, müsse sich erst noch zeigen. Überhaupt sei es für eine landesweite Lösung viel zu spät. Die Schulen hätten längst eigene Lösungen gefunden und müssten nun, wie so oft unter dieser Regierung, kurzfristig umsatteln. Anstatt die Schulen ständig mit neuen Herausforderungen zu konfrontieren, erwarte die SPD-Fraktion eine klarere und zugewandte Kommunikation an die Schulgemeinden, vor allem auch in Hinblick auf den kommenden Herbst und Winter.

Die SPD-Fraktion stellte zum Schuljahresbeginn mehrere parlamentarische Initiativen vor: so einen dringlichen Berichtsantrag zur Corona-Lage, der auch die Wärmeversorgung an Schulen aufgreift sowie eine Antragsreihe zur Verbesserung der Lern- und Lehrbedingungen an den hessischen Schulen. Neben mehr Studienplätzen, einem umfassenden Programm zum qualifizierten Quereinstieg in den Lehrerberuf setzen die Sozialdemokraten auch auf die gleiche Bezahlung aller Lehrämter durch eine Anhebung des Gehaltes der Grundschullehrkräfte auf A13. „Das ist uns wichtig, um nicht nur den gestiegenen Anforderungen an das Grundschullehramt gerecht zu werden, sondern auch wettbewerbsfähig mit anderen Bundesländern beim Werben um gut ausgebildete Lehrkräfte zu sein“, so Degen.

Nina Heidt-Sommer, die selbst bis Ende 2021 an einer gebundenen Ganztagsgrundschule unterrichtet hat, stellt überdies fest: „Der Beruf der Lehrerin bzw. des Lehrers ist in Hessen so unattraktiv wie nie.“ Es seien genügend Belege vorhanden, dass Lehrkräfte zu viel arbeiteten und während ihrer Arbeit sehr hoher Belastung ausgesetzt seien. „Wir fordern deshalb eine wissenschaftliche unabhängige Studie über die reale Arbeitszeit und Arbeitsbelastung.“ Die Landesregierung begreife den Zusammenhang nicht: „Nur Lehrkräfte, die unter guten Bedingungen arbeiten, können Schülerinnen und Schüler optimal fördern.“ Wenn sie jedoch mit immer neuen Aufgaben überhäuft und konsequent überfordert würden, würden sie krank und stünden nicht mehr zur Verfügung. „Wer so schlecht mit seinem Personal umgeht, muss sich über Personalmangel nicht wundern“, so Heidt-Sommer.