Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Zum 75. Verfassungsjubiläum am morgigen Donnerstag sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Tobias Eckert:

„Ursprünglich als Übergangsverfassung gedacht, hat sich das Grundgesetz in den 75 Jahren seines Bestehens als staatsrechtlicher Glücksfall erwiesen. Denn unter dem Grundgesetz wurde unser Land zu einer starken Demokratie, zu einem vorbildlichen Rechts- und Sozialstaat mit einer robusten Wirtschaft und zu einem verlässlichen Partner für die demokratischen Nationen in der Welt.

Das Grundgesetz war und ist ein zivilisatorisches Versprechen des deutschen Staates an seine Bürgerinnen und Bürger, an seine Nachbarn in Europa und an die Welt: Als Gegenentwurf zur Barbarei des Nationalsozialismus‘ verspricht es, in einem demokratischen Rechtsstaat die Würde und die Freiheit eines jeden Menschen zu achten.

Dieses Versprechen konnte unsere Verfassung in den zurückliegenden 75 Jahren für diejenigen, die in ihrem Geltungsbereich leben, stets einlösen. Dass das so bleibt, ist die Aufgabe derjenigen, die heute hier leben.

Dass eine starke Demokratie engagierte Demokratinnen und Demokraten braucht, ist eine Erkenntnis aus dem Scheitern der Weimarer Republik und den Gräueln der nachfolgenden Diktatur der Nationalsozialisten. Umso größer muss unsere Besorgnis sein, wenn sich ein Teil der Gesellschaft von der Demokratie und ihren Möglichkeiten abwendet. Denn unser Grundgesetz ist kein Naturgesetz. Es bietet viele Möglichkeiten, sich der Feinde von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu erwehren – aber wenn zu viele Menschen in unserem Land der Verfassung gleichgültig bis ablehnend gegenüberstehen, geraten die Errungenschaften aus 75 Jahren Grundgesetz trotz aller Schutzmechanismen in Gefahr.

Seit einem dreiviertel Jahrhundert schützt uns das Grundgesetz vor Willkür, Grausamkeit und undemokratischen Umtrieben. Gemeinsam müssen wir deswegen das Grundgesetz beschützen, um Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und Toleranz zu bewahren.

Eine stabile Demokratie braucht einen stabilen verfassungsrechtlichen Rahmen. Sie braucht aber auch ernsthafte, verantwortungsbewusste Repräsentantinnen und Repräsentanten. Diese müssen unterscheidbar sein, sollen sich aber auf Lösungen fokussieren, nicht auf den Streit. Denn zwischen den Zeilen mahnt unser Grundgesetz zu Mäßigung, Kooperation und ‚fair play‘.

Diese Werte gehen verloren, wenn Politik und der öffentliche Diskurs darüber immer stärker der Logik des ‚Alles oder nichts‘ folgen, wenn Kompromissfähigkeit zu Schwäche umgedeutet wird und nicht mehr die Einigung das Ziel ist, sondern die Dominanz. Wo aus weltanschaulichen Unterschieden politische Feindschaften werden, wird die Demokratie schwach.

Deswegen müssen wir achtsam miteinander umgehen, respektvoll und zugewandt. Auch dazu mahnt uns das Grundgesetz – und zwar immer, nicht nur am Tag des 75. Verfassungsjubiläums.“