Seit anderthalb Jahren warten die hessischen Schulen auf das datenschutzkonforme Videokonferenzsystem, das ihnen vom Kultusministerium versprochen wurde. Und sie werden noch länger warten müssen: Nachdem die Vergabekammer vor drei Wochen eine Wiederholung des vom Ministerium durchgeführten Ausschreibungsverfahrens angeordnet hatte, hat das Land Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt. Wann über diese Beschwerde entschieden wird, ist nach Angaben des zuständigen Oberlandesgerichts in Frankfurt noch unklar.

„Was als Datenschutzproblem begonnen hat, ist mittlerweile zu einem digitalpolitischen Offenbarungseid der Landesregierung geworden“, stellten dazu heute die SPD-Landtagsabgeordneten Nadine Gersberg und Bijan Kaffenberger fest.

Kaffenberger, der digitalpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion ist, sagte: „Es war schon peinlich, dass das Kultusministerium offenkundig kein rechtssicheres Vergabeverfahren organisieren konnte. Aber nun riskiert die Landesregierung mit ihrer Beschwerde gegen den Spruch der Vergabekammer, dass sich die Beschaffung des Videokonferenzsystems für die hessischen Schulen noch einmal erheblich verzögert. Das ist Rechthaberei statt Fehlerkultur.“

Nadine Gersberg, die datenschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, stellte fest: „Das Problem liegt nicht im Datenschutz oder beim Datenschutzbeauftragten, sondern in der Bräsigkeit der Landesregierung. Der Europäische Gerichtshof hat im Juni 2020 festgestellt, dass in der EU Konferenzsysteme nicht zulässig sind, die Daten in Nicht-EU-Staaten mit niedrigeren Datenschutzstandards ausleiten. Dazu zählen unter anderem die USA – und genau dort stehen die Server der bisher übergangsweise genutzten Videokonferenzsysteme. Die Landesregierung wusste also seit dem Sommer 2020, welche Anforderungen gelten, und war dennoch bis heute nicht in der Lage, ein rechtskonformes Videokonferenzsystem für Hessens Schulen zu beschaffen.“

Bijan Kaffenberger und Nadine Gersberg forderten den Kultusminister auf, kurzfristig eine Lösung des Problems herbeizuführen. „Nichtstun und Abwarten sind keine Option, da nicht abzusehen ist, wann die Gerichte abschließend über die inkriminierte Auftragsvergabe entscheiden“, so Gersberg und Kaffenberger. Es sei beispielsweise möglich, US-amerikanische Anwendungen wie „Microsoft Teams“ auf einer eigenen Cloud in der EU zu hosten und abzukapseln. So könne verhindert werden, dass die Software quasi in die USA „nach Hause telefoniert“ und Daten unerlaubterweise aus der EU abfließen. „Die Lösung muss natürlich vom Land finanziert werden, bis das Schulportal endlich kommt“, so Gersberg und Kaffenberger.