Der Hessische Landtag hat heute über den Bericht des Landesschuldenausschusses zum Haushaltsjahr 2016  debattiert. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Norbert Schmitt, warf Finanzminister Schäfer „Unredlichkeit“ vor, weil dieser dem Landesschuldenausschuss beim Thema Derivat-Geschäfte den „Schwarzen Peter“ habe zuschieben wollen. Schmitt betonte, dass bei keinem einzigen Derivat der Landesschuldenausschuss im Vorhinein einbezogen worden sei. Der Abschluss und auch die näheren Umstände wie Optionen, Laufzeiten und die Zinshöhe, waren und seien Sache des Ministeriums.

Schmitt sagte am Mittwoch in Wiesbaden: „Der 66. Bericht über die Schulden des Landes Hessen weist zum 31.12.2016 Haushaltsschulden von 43,366 Milliarden Euro aus. Hinzu kommen Kreditverbindlichkeiten des Landes gegenüber der WI-Bank in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Damit liegt Hessen bei der Pro-Kopf-Verschuldung mit 6824 Euro fast 1000 Euro über dem Durchschnitt der Flächenländer. Damit steht auch fest: Die CDU hat in ihrer Amtszeit die Schulden in Hessen nahezu verdoppelt und die Position Hessens im Ländervergleich deutlich verschlechtert.“

Schmitt nahm zudem Stellung zur Diskussion um den Derivate-Einsatz des Hessischen Finanzministers. Die Zeitung „Welt am Sonntag“ hatte Ende August berichtet, dass Hessen Millionen durch Derivate „verzockt“ habe. Sie berichtete von nicht mehr einfangbaren Mehrkosten in Höhe von 375 Millionen Euro durch Derivat-Geschäfte, die das Land Hessen eingegangen sei. Zudem verwies die „Welt “auf die Buchverluste in der Bilanz des Landes bei den Derivaten in Höhe von 3,2 Milliarden Euro beziehungsweise 4,5 Milliarden Euro.

Schmitt fasste seine Position nach der ausführlichen Diskussion im Haushaltsausschuss und der Auswertung der Stellungnahme des Finanzministers folgendermaßen zusammen: „Um niedrige Zinsen, im Vergleich zu den bisherigen Zinsbelastungen, zu sichern, kann der Einsatz von Derivaten ein sinnvolles Mittel sein. Allerdings gibt es beim Einsatz von Derivaten sehr unterschiedliche Stellschrauben und Spielarten. Dies betrifft die Laufzeit, aber auch die vertragliche Ausgestaltung. Derivate-Laufzeiten von 40 Jahren binden den Haushaltsgesetzgeber und die Regierungen über einen so langen Zeitraum, dass der wirtschaftliche Erfolg und die  politische Verantwortung dafür soweit in die Ferne gerückt werden, dass eine entsprechende Kontrolle nicht mehr möglich ist. Gerade der Verweis auf Derivate aus den 1990er Jahren mit einer Laufzeit von 28 Jahren, hätte zur Vorsicht beim Abschluss langer Laufzeiten führen müssen“, so Schmitt.

Zahlreiche Derivat-Verträge sehen eine Kündigungsmöglichkeit der Banken nach zehn Jahren vor. Damit würde das einseitige Risiko steigender Zinsen auf das Land verlagert. Gewinner könnten in Folge dieser Optionsgeschäfte nur die Banken sein. „Die Behauptung des Ministers, ein solcher Derivate-Einsatz sei mit dem Abschluss von Versicherungen vergleichbar, sind schlicht falsch und eine Irreführung der Öffentlichkeit. Die vom Land eingesetzten Derivate beinhalten Chancen, aber eben auch Risiken. Dass ein anderer Eindruck vermittelt wurde, führt genau zu solchen Veröffentlichungen, wie sie die „Welt“  publiziert hat. Es ist zudem schlichtweg falsch, wenn die Landesregierung behauptet, sie habe eine reine Absicherung verfolgt. Bei der Befragung hat sich herausgestellt, dass das Land Hessen auch Optionen – sogenannte Swaptions – ver- und nicht gekauft hat. Dabei hat sie Stillhalterrisiken übernommen. Mit einer reinen Zinssicherung hat dies nichts zu tun“, kritisierte der Finanzexperte.

Um eine reine, echte Absicherungen gegenüber steigenden Zinsen treffen zu können, hätte es alternative Arten des Derivate-Einsatzes gegeben. Diese wären ebenfalls mit Kosten verbunden, aber mit dem Anspruch der Versicherung beziehungsweise Absicherung besser vereinbar gewesen. Zudem sei es fraglich, ob diese Absicherung tatsächlich Kosten in der Höhe eines  dreistelligen Millionenbetrages – wie jetzt – verursacht hätten. Unrichtig sei auch die Behauptung der Landesregierung, dass die Derivatgeschäfte zum Zeitpunkt des Abschlusses bei „Null“ starten würden. Dabei lasse sie die Marge zugunsten der Banken außen vor, die dazu führe, dass das Land Hessen bei jedem Geschäft im Minus starte. Eine Auskunft über den Umfang dieser Gebühren sei die Landesregierung ebenfalls schuldig geblieben.

Schmitt zog folgendes Fazit: „Nur wer Chancen und Risiken richtig einschätzt und die Öffentlichkeit ordentlich aufklärt, ist vor spektakulärer Berichterstattung geschützt. Der Grundsatz der Zinssicherung ist akzeptabel und gerechtfertigt, die Ausgestaltung durch Minister Schäfer ist aber zu Recht in die Kritik geraten. Die daraus entstandenen Risiken hat demnach der Finanzminister alleine zu verantworten.“