Deshalb müssen die Voraussetzungen für den Wegfall derzeit noch geforderter Gebühren an privaten Fachschulen geschaffen werden, entweder durch Erstattungen oder durch entsprechende Änderungen im Ersatzschulfinanzierungsgesetz. Diese Gebühren belaufen sich auf rund 70 € bis 80 € pro Monat, addieren sich also auf knapp 1.000 € jährlich! Auch Prüfungsgebühren und andere Nebenkosten müssen entfallen.

Mehr Fachkräfte für Kitas: Dem Mangel an Erzieherinnen und Erziehern wirksam begegnen

A) Situationsanalyse

In Hessen besteht ein enormer Bedarf an zusätzlichen Fachkräften in den Kitas. Um die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung für eine gute Qualität in den Kitas umsetzen zu können, fehlen in Hessen aktuell über 7.000 Fachkräfte. Dabei ist der dringend nötige weitere Bedarf durch den Ausbau von Betreuungsplätzen noch nicht einmal berücksichtigt und auch nicht die Tatsache, dass immer mehr Eltern längere Betreuungszeiten nachfragen.

Schon jetzt sind auf dem Arbeitsmarkt kaum noch Fachkräfte verfügbar, schon gar nicht im Ballungsraum Rhein-Main. Ein Hauptgrund dafür sind hohe Arbeitsbelastung und relativ niedrige Bezahlung, beide machen den Beruf unattraktiv. Ein viel zu hoher Anteil der Absolventinnen und Absolventen der Fachschulen (37%) steigt nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) erst gar nicht in den eigentlich gewünschten und erlernten Beruf der ErzieherIn ein. Viele Beschäftigte steigen nach kurzer Tätigkeit aus dem anstrengenden Beruf aus, so dass weitere Fachkräfte verloren gehen. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi sind dies 20% allein in den ersten drei Jahren der Berufstätigkeit. Und Erzieherinnen gehen im Schnitt bereits mit 59 Jahren in Rente (lt. Angabe von Verdi), fünf Jahre früher als der Durchschnitt der Rentnerinnen (64,2 Jahre, Deutsche Rentenversicherung).

Viele Erzieherinnen und Erzieher arbeiten in Teilzeit, nur zum Teil auf eigenen Wunsch. In Hessen ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten überdurchschnittlich hoch. Während laut Fachbarometer Frühe Bildung 2017 der Bundesdurchschnitt bei 40 Prozent Vollzeitbeschäftigten und 60 Prozent Teilzeitbeschäftigten liegt, sind in Hessen nach den aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamts lediglich gut 32 Prozent in Vollzeit beschäftigt. Die Gründe dafür sind vielfältig, neben der hohen Arbeitsbelastung spielt auch das jetzige System der Landesförderung eine Rolle (s. weiter unten). Hohe Krankenstände in den Kitas verschärfen das Problem. Paradox ist auch, dass trotz Fachkräftemangel 15% der Erzieherinnen und Erzieher nur befristete Verträge haben.

Es gibt daher an mehreren Stellen dringenden Reformbedarf. Die nachfolgenden Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in Kitas setzen zum großen Teil voraus, dass der Gesetzentwurf der SPD (Drucksache 19/5467) umgesetzt wird. Unter den jetzigen Bedingungen können sie nicht wirksam werden. Denn ohne eine grundlegende Verbesserung bei den Arbeitsbedingungen in den Kitas und ohne eine wesentliche höhere Landesförderung wird das Maßnahmenpaket keine Wirkung entfalten.

B) Notwendige Maßnahmen

1. Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen

  • Damit der Beruf attraktiver wird, müssen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Nötig ist ein verbesserter Fachkräfteschlüssel und damit mehr Zeit für die pädagogische Arbeit. Unser Gesetzentwurf sieht Zuschläge für die Leitungsfunktion und für die mittelbare pädagogische Arbeit (Elterngespräche, Vor- und Nachbereitung, Anleitung von Nachwuchskräften) und eine Anpassung des Zuschlags für die Ausfallzeiten (Urlaub, Krankheit, Fortbildung) vor. Damit würde der Fachkraftschlüssel deutlich verbessert. Die Kita kann mehr Qualität bieten, das fordern die Eltern und die Kinder profitieren davon. Damit werden aber auch die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher deutlich verbessert.
    Natürlich führen diese Maßnahmen ihrerseits zu einem höheren Personalbedarf. Wir sind aber fest überzeugt, dass eine höhere Attraktivität des Berufs mehr Absolventinnen und Absolventen dazu bewegt, in dem ausgebildeten Beruf tatsächlich zu arbeiten und in ihm zu verbleiben, und dass ein relevanter Teil des Personals überzeugt werden kann, die Stundenzahl der Beschäftigung zumindest aufzustocken oder sogar in Vollzeit zu gehen. Ohne verbesserte Arbeitsbedingungen wird der Teufelskreis von mangelnder Attraktivität und daraus resultierendem Fachkräftemangel nicht durchbrochen werden können.
  • Verbessert werden muss auch das Einkommen, das in der frühen Bildung zu erzielen ist. Wir brauchen eine höhere tarifliche Eingruppierung, in einigen Bereichen der freien Träger auch die Anpassung an tarifliche Vergütungen. Dazu muss das Land Vorgaben machen und die Gewährung von Landeszuschüssen an tarifliche Bezahlung binden. Der Gesetzentwurf der SPD schafft den notwendigen Spielraum für solche Einkommensverbesserungen, indem er die Landesförderung dynamisch an die Personalkosten koppelt, also bei wachsenden Personalkosten mitwächst, und überdies tarifliche Eingruppierung und Entlohnung zur Voraussetzung der Förderung macht.
  • Auch um die derzeit bestehende strukturelle Tendenz zu Teilzeit und befristeter Beschäftigung abzuschaffen, ist eine grundlegend andere Landesförderung notwendig. In unserem Gesetzentwurf ist vorgesehen, die Landesförderung als festen Anteil (82,5%) an den Kosten des pädagogischen Personals pro Gruppe zu zahlen. Die jetzige Landesförderung setzt am besetzten Platz an und bringt vor allem kleinere Einrichtungen, die ihre Gruppen nicht füllen können, und Einrichtungen, in den die Zahl der besetzten Plätze größeren Schwankungen unterworfen ist, in Schwierigkeiten, weil sie die Landesförderung nicht voll ausschöpfen können. Damit sind sie in höherem Maße gezwungen, befristete Verträge abzuschließen bzw. nur Teilzeitbeschäftigung zu ermöglichen.
  • Für Erzieherinnen, die selbst Kinder im Kita-Alter haben, ist es oft nicht einfach, in den Beruf zurückzukehren. Für diese Gruppe von Beschäftigten sind zusätzliche Maßnahmen nötig. Sie brauchen eine verbindliche Zusage auf einen Betreuungsplatz für das eigene Kind, um nach der Elternzeit wieder in den Beruf zurückkehren zu können. Darüber hinaus muss man auf ihre individuellen Bedürfnisse Rücksicht nehmen und ihre Arbeitszeit flexibel daran orientieren. Hier sind die Träger gefordert, das Land kann unterstützend tätig sein.
    Sinnvoll wäre es auch, wenn kommunale und freie Träger Hilfen bei der Wohnraumbeschaffung anbieten. Gerade im Ballungsraum wären „Werkswohnungen“ hilfreich, denn die Mieten auf dem freien Markt sind für Erziehungsfachkräfte kaum zu bezahlen. Hilfreich wären außerdem Job-Tickets oder andere unterstützende Leistungen.

2. Erhöhung der Ausbildungskapazitäten

  • Trotz aller Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen wird das Land nicht umhinkommen, mehr Ausbildungsplätze anzubieten. Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze an den Fachschulen und wir müssen die Zahl der angebotenen Plätze in den einschlägigen Studiengängen erhöhen. Derzeit schließen ca. 2.000 Absolventinnen und Absolventen an den hessischen Fachschulen die Ausbildung ab. An den Hochschulen stehen ca. 300 Studienplätze zur Verfügung. Wir wollen die Zahl der Absolvierenden auf 3.000 p.a. erhöhen und die Zahl der Studienplätze an den Hochschulen verdoppeln.
  • Wir wollen verstärkt auf die praxisintegrierte vergütete Ausbildung setzen. Die Voraussetzungen zur Aufnahme eines solchen Ausbildungsverhältnisses sollen die gleichen wie bei den jetzigen Fachschulen sein. Es gibt dieses Modell in Hessen bereits. Die Gewerkschaft Verdi und die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände haben dazu in diesem Jahr einen Tarifvertrag abgeschlossen, der eine Vergütung von ca. 1.200 € monatlich vorsieht. Es handelt sich um eine anspruchsvolle Ausbildung, die etwas kürzer ist als die Fachschulausbildung, dafür aber auch keine Ferienzeiten kennt. Besonders attraktiv ist dieses Modell für „QuereinsteigerInnen“ mit beruflichen Vorerfahrungen, die mittlerweile einen sehr hohen Anteil an der Gesamtzahl der Auszubildenden darstellen.
    Allerdings setzt dieses Modell voraus, dass in den Einrichtungen auch genügend Personal vorhanden ist, das die Praxisanleitung übernehmen kann. Auch hier ist die Umsetzung unseres Gesetzentwurfes unumgänglich, weil nur auf diesem Weg zusätzliche Zeiten für die Leitungstätigkeit und die mittelbare pädagogische Arbeit vorgesehen sind. Über weitere Zuschläge für die Ausbildung von Fachkräften muss nachgedacht werden.

3. Verbesserung der Ausbildungsbedingungen

  • Die Ausbildung zur ErzieherIn muss durchgängig gebührenfrei sein. Deshalb müssen die Voraussetzungen für den Wegfall derzeit noch geforderter Gebühren an privaten Fachschulen geschaffen werden, entweder durch Erstattungen oder durch entsprechende Änderungen im Ersatzschulfinanzierungsgesetz. Diese Gebühren belaufen sich auf rund 70 € bis 80 € pro Monat, addieren sich also auf knapp 1.000 € jährlich! Auch Prüfungsgebühren und andere Nebenkosten müssen entfallen.
  • Wir wollen eine allgemeine Ausbildungsvergütung für alle in Ausbildung befindlichen Erzieherinnen und Erzieher. Ob dies auf dem Weg über Tarifverträge mit entsprechender Flankierung durch das Land oder über eine Regelung in Analogie zum Studierenden- bzw. Schüler-BAFöG oder zum Aufstiegs-BAFöG (AFBG) geschehen kann, werden wir gemeinsam mit den Tarifvertragsparteien prüfen.