Mit dem Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter hat die Bundesregierung 2021 den Anspruch auf ganztägige Betreuung rechtlich verankert: Ab 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Klassenstufe, ab 2029 jedes Grundschulkind einen Anspruch darauf haben, an fünf Tagen in der Woche ganztägig (also acht Stunden lang) betreut und gefördert zu werden. Allein um den derzeitigen Elternbedarf zu decken, müsste in Hessen bis zum Schuljahr 2029/30 das Platzangebot um 45 Prozent steigen, bei höherem Elternbedarf um 61 Prozent. Die SPD-Fraktion hat dazu heute einen Antrag (Drucksache 20/8123) in den Landtag eingebracht.
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Christoph Degen, sagte dazu: „Der Ganztag ist in Hessen seit Jahrzehnten eine Großbaustelle, die schleppend beackert wird. Die Zahl echter Ganztagsschulen stagniert bei einer Zahl um die Hundert, Ganztagsangebote nehmen zwar zu, aber nicht flächendeckend und nicht in der erforderlichen pädagogischen Qualität. Schwarzgrün setzt darauf, dass die Kommunen die Bauausführung übernehmen und das Land nur noch Abnahme macht. Das ist erschreckend naiv.“
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler sei ein wichtiger Baustein für mehr Chancengleichheit und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Betreuungslücke, die nach der Kita mit dem Wechsel in die Grundschule bestehe, müsse endlich geschlossen werden. „Wir dürfen weder die Eltern noch die Kommunen alleine lassen. Nach Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts und der Technischen Universität Dortmund fehlen bis zu 71.000 zusätzliche Plätze und mindestens 4.100 Vollzeitstellen allein an Schulen. Das sind alarmierende Zahlen, die keinerlei Anlass bieten, sich selbstgefällig zurückzulehnen“, kritisierte Degen.
Der SPD-Bildungsexperte warnte davor, die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf die lange Bank zu schieben. Er sagte: „Das mit Abstand größte Problem ist der Fachkräftemangel. Wenn jetzt nicht mehr ausgebildet und investiert wird, kann der Rechtsanspruch nicht erfüllt werden, der sowohl in Horten als auch in offenen und gebundenen Ganztagsschulen erfüllt werden soll. Das Land muss jetzt dafür sorgen, dass zusätzliche Plätze an Grundschulen geschaffen werden und die Kommunen finanziell unterstützen, um die baulichen Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Die Kosten dürfen nicht an den Kommunen hängenbleiben.“
Degen betonte, dass jetzt die Chance bestehe, einen Qualitätssprung zu machen und den Ganztag in Hessen auch qualitativ zu verbessern, etwa durch Weiterentwicklung der Paktangebote zu echten Ganztagsschulen. „Rechtsanspruch heißt für uns in jedem Dorf, jedem Stadtteil und ausnahmslos für alle Kinder, egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung. Damit das gelingt, muss die Landesregierung den Bedarf vor Ort ermitteln und in einen offenen Dialog mit den Trägern eintreten.“
Insgesamt, so Degen, müsse die Landesregierung nun dringend belastbare Bedarfsanalysen, Ausbau- und Zeitpläne vorlegen und erläutern, wie sie die Ziele bis 2029 erreichen wolle. „Es braucht etwas, worin Schwarzgrün wenig Erfahrung hat: Transparenz statt Durchwurschteln“, sagte Christoph Degen.