Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags (UNA 20/1), der die Hintergründe des Mordes an Dr. Walter Lübcke untersucht, hat heute unter anderem den Staatsschutzbeamten L. als Zeugen vernommen. Dieser sagte aus, die persönliche Entwicklung des Mörders Stephan Ernst habe ihn „überrascht“, da er in Ernst eher einen Mitläufer denn einen gewaltbereiten Rechtsterroristen gesehen habe.

Der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss, Günter Rudolph, wertete die Aussage des Beamten L. als „weiteren Beleg dafür, dass die hessischen Sicherheitsbehörden die wahre Bedrohung, die von der nordhessischen Neonazi-Szene ausging und noch immer ausgeht, über einen langen Zeitraum unterschätzt und falsch bewertet haben“. Rudolph sagte am Freitag in Wiesbaden, es sei für ihn völlig unverständlich, wie die beteiligten Ämter zu einer so eklatanten Fehleinschätzung gelangen konnten.

Bemerkenswert sei auch das vernichtende Urteil des Beamten L. über den früheren Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme, der bereits im Mordfall Halit Yozgat eine bis heute ungeklärte Rolle spielte. L. sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus, er habe eine behördenübergreifende Zusammenarbeit mit Temme seinerzeit abgelehnt, da dieser ihm nicht vertrauenswürdig erschienen sei. Dazu sagte Günter Rudolph: „Das Landesamt für Verfassungsschutz und der Innenminister müssen sich auch heute noch die Frage gefallen lassen, wieso über viele Jahre in einem der sensibelsten Arbeitsbereiche ein Mann eingesetzt wurde, dem die Kollegen vom Staatsschutz attestierten, dass er für eine Zusammenarbeit nicht seriös genug war. Ein solcher Vorgang macht auch im Nachhinein noch misstrauisch.“