Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum Mord an Dr. Walter Lübcke (UNA 20/1) hat heute Mike S. als Zeugen vernommen. S. war über ein Jahrzehnt in zahlreichen rechtsextremen Gruppierungen aktiv, beispielsweise in Kameradschaften, in der NPD und bei den Autonomen Nationalisten.
„Der Zeuge S. kennt die maßgeblichen Akteure der nordhessischen Neonazi- und Rechtsextremistenszene aus eigener Beteiligung. Aber an seinen alten Bekannten Stephan Ernst, den Mörder von Dr. Walter Lübcke, wollte er sich an entscheidenden Stellen nur vage erinnern können. Diese Form von zweckdienlicher Amnesie kennen wir leider allzu gut aus dem NSU-Prozess im München. Es handelt sich um einen szenetypischen Gedächtnisverlust, der heute auch den Zeugen S. befallen hat“, so der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss, Fraktionsvorsitzender Günter Rudolph.
An einen anderen Mann, der immer wieder im Zusammenhang mit der Untersuchung rechtsextremistischer Umtriebe auftaucht, konnte sich Mike S. allerdings sehr wohl erinnern – an den ehemaligen Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme, der bereits im Fall des vom so genannten NSU ermordeten Halit Yozgat aus Kassel eine überaus zweifelhafte Rolle spielte.
Günter Rudolph sagte: „Mike S. hat ausgesagt, dass Herr Temme persönlich ein militärisches Bild bei ihm gekauft und abgeholt hat. Dass ein ehemaliger Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, der danach weiterhin im Dienst des Landes stand, bei einem Rechtsextremen Militaria kauft und persönlich abholt, ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der erneut Zweifel an der Treue von Herrn Temme zum demokratischen Rechtsstaat nährt. Der Innenminister muss nun ohne Zeitverzug erklären, ob dem Verfassungsschutz und anderen Sicherheitsbehörden die Umtriebe des Herrn Temme jemals aufgefallen sind und welche Schlüsse daraus gezogen wurden. Es kann nicht sein, dass ein Mitarbeiter, der die rechtsextreme Szene beobachten soll, sich mit ihr gemein macht. Ich erwarte Aufklärung vom Innenminister – und zwar rückhaltlos und schnell.“