Der Rechtsausschuss des Hessischen Landtags hat heute über die Forderung der SPD-Fraktion diskutiert, das umgangssprachlich als „Schwarzfahren“ bezeichnete Erschleichen von Beförderungsleistungen von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Diesen Schritt bezeichneten die justizvollzugspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Tanja Hartdegen, und der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Gerald Kummer, als längst überfällig.

Tanja Hartdegen sagte: „Wer in der Stadt 75 statt 50 Stundekilometer fährt, begeht lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Aber wer in der Bahn oder im Bus ohne Fahrschein angetroffen wird, begeht eine Straftat nach Paragraph 265a des Strafgesetzbuches. Ein erheblicher Teil der Strafen, die von den Gerichten deswegen verhängt werden, besteht aus sehr niedrigen Tagessätzen zwischen fünf und zehn Euro. Die Mehrheit der Verurteilten hat also wenig oder kein Geld, was deutlich macht, dass es sich beim so genannten ‚Schwarzfahren‘ in der Regel nicht um einen Ausdruck von krimineller Energie handelt, sondern um ein soziales Problem. Das Strafgesetzbuch ist aber nicht geeignet, um einem Armutsphänomen wie dem ‚Schwarzfahren‘ zu begegnen. Viele der Angeklagten, die wegen der Erschleichung von Beförderungsleistungen zu sehr niedrigen Geldstrafen verurteilt werden, können selbst diese nicht bezahlen und sind vielfach auch nicht in der Lage, stattdessen gemeinnützige Arbeit zu leisten. Im Ergebnis werden dann so genannte Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt, die keinerlei positiven Effekt auf das künftige Verhalten der Verurteilen haben. In der Praxis führen die weitgehend wirkungslosen Freiheitsstrafen wegen ‚Schwarzfahrens‘ vor allem dazu, dass Menschen, die ums finanzielle Überleben ringen, zusätzlich noch kriminalisiert und stigmatisiert werden.“

Gerald Kummer sagte: „So lange das Erschleichen von Beförderungsleistungen als Straftat gilt, so lange werden die vielen Strafverfahren, die daraus resultieren, das Justizsystem belasten. Zu den internen Kosten bei Staatsanwaltschaften und Gerichten kommen die erheblichen Aufwendungen für die Ersatzfreiheitsstrafen: Ein einziger Tag in einer hessischen Justizvollzugsanstalt kostet die Allgemeinheit zwischen 120 und 180 Euro. Aus einem verhältnismäßig geringen betriebswirtschaftlichen Schaden für die Verkehrsunternehmen wird auf diese Weise eine unverhältnismäßig große Belastung für alle Bürgerinnen und Bürger, die Steuern zahlen. Dieses Missverhältnis muss aus unserer Sicht beseitigt werden.“

Hartdegen und Kummer fordern daher von der schwarzgrünen Landesregierung, über den Bundesrat eine Gesetzesänderung zu initiieren, die das Erschleichen von Beförderungsleistungen von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabstuft. Die enormen Summen, die der Staat derzeit für die Verfolgung von „Schwarzfahrern“ aufwende, ließen sich in Förder- und Unterstützungsprojekten für von Armut betroffene Menschen sinn- und wirkungsvoller einsetzen.

„Niemand sollte ins Gefängnis gehen müssen, weil er sich das Ticket für Bus und Bahn nicht leisten kann“, so Tanja Hartdegen und Gerald Kummer.