Der Hessische Landtag hat heute auf Antrag der Fraktionen von SPD, Freien Demokraten und LINKE einen Untersuchungsausschuss (UNA) eingesetzt, der die Arbeit der hessischen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Mord an Dr. Walter Lübcke zum Gegenstand hat. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, betonte in der Plenardebatte dazu, die strafrechtliche Aufarbeitung der Ermordung von Dr. Walter Lübcke sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes. Die Bluttat vom Juni 2019 habe aber auch eine politische Dimension, die einzuordnen und zu bewerten Auftrag des UNA sein werde.
Rudolph sagte: „Es zieht sich eine Blutspur des Rechtsterrorismus durch unser Land – vom Mord an unserem früheren Kollegen Dr. Walter Lübcke über den versuchten Mord an einem eritreischen Asylbewerber in Wächtersbach und den Anschlag auf die Synagoge in Halle bis zu den rassistisch motivierten Morden an neun Menschen in Hanau. Die maßgebliche Bedrohung unserer Demokratie kommt von Rechtsaußen. Die Frage ist: Sehen unsere Sicherheitsbehörden diese Gefahr klar genug, schätzten und schätzen sie sich richtig ein?“
Rudolph verwies auf den Umstand, dass der hessische Verfassungsschutz mit Stephan E., dem mutmaßlichen Mörder von Dr. Walter Lübcke, einen Mann aus dem Blickfeld verloren hatte, der über Jahrzehnte immer wieder als gewalttätiger Rechtsradikaler aufgefallen war.
„Das Landesamt für Verfassungsschutz hielt diesen Mann für ‚abgekühlt‘ – wir fragen, wieso? Wie konnte die Behörde, die einzig und allein dafür da ist, Feinde unseres demokratischen Staates zu identifizieren und zu überwachen, zu dieser eklatanten Fehleinschätzung kommen? Die Frage stellt sich umso mehr, als der hessische Verfassungsschutz schon im Zusammenhang mit den NSU-Morden – völlig zu Recht – in der Kritik stand. Und trotzdem waren die Beteiligten vom einfachen Beamten bis hinauf zum Innenminister offenkundig nicht dafür sensibilisiert, welches Gefährdungspotenzial rechtsextreme Gewalttäter in sich tragen. Man kann das für strukturelle politische Ignoranz halten, aber auch für Behördenversagen. Und das muss aufgeklärt werden“, so Günter Rudolph.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion kritisierte, dass die CDU als größte Fraktion im Hessischen Landtag sowohl den Vorsitz des Untersuchungsausschusses als auch die Position des Berichterstatters im Plenum für sich reklamiere. Rudolph sagte: „Der UNA wird kritikwürdige Vorgänge und Verhaltensweisen im Zuständigkeitsbereich des Innenministers von der CDU untersuchen. Da ist es kein gutes Signal, wenn die CDU-Fraktion in dem neuen Ausschuss gleich nach beiden herausgehobenen Positionen greift. Denn wir haben schon im NSU-Untersuchungsausschuss in der letzten Legislaturperiode erfahren, dass der Aufklärungswille und der kritische Geist erlahmen, wenn sich im UNA Parteifreunde gegenübersitzen. Den Ausschussvorsitz der Opposition zu überlassen, wäre ein Zeichen dafür gewesen, dass auch die größere Regierungsfraktion an einer objektiven und umfassenden Aufklärung interessiert ist. Aber die Größe, die es dazu braucht, hat die CDU offensichtlich nicht.“