Intensive Untersuchungen des internationalen Rechercheteams „Forensic Architecture“ aus London zu dem rassistischen Terroranschlag von Hanau belegen, dass bei dem Polizeieinsatz in der Nacht des 19. Februar 2020 erhebliche Fehler gemacht wurden. Die Frankfurter Rundschau (FR) und der Hessische Rundfunk (hr) berichten heute über die neuen Erkenntnisse.
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Günter Rudolph, sagte dazu:
„Das Team von Forensic Architecture hat akribisch nachgewiesen, welche eklatanten Fehler die Polizei in der Terrornacht von Hanau gemacht hat. Damit sind die Behauptungen des Innenministers, der Einsatz sei geradezu vorbildlich abgelaufen, widerlegt: Das Haus, in dem der Täter lebte, wurde mindestens eine Stunde lang nicht überwacht. Die Besatzung des Polizeihubschraubers, der über den Tatorten kreiste, war von der Kommunikation der Einsatzkräfte abgeschnitten und wusste weder wo noch wonach sie suchen sollte. Die eindeutigen Hinweise, wonach der Notausgang in der ‚Arena‘-Bar abgeschlossen war, wurden falsch bewertet oder ganz ignoriert. Der Notruf der Hanauer Polizei war nicht erreichbar, weil dort zu wenige Beamte eingesetzt waren und keine Weiterleitung an andere Dienststellen eingerichtet war – ein Umstand übrigens, der bis hinauf zum zuständigen Polizeipräsidenten seit langer Zeit bekannt war.
Die Pannen und Fehler sind kaum zu entschuldigen, selbst wenn man berücksichtigt, dass eine Terrorlage wie in Hanau alle Handelnden an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringt.
Der eigentliche Skandal ist aber der Umgang des Innenministers und der Polizeiführung mit den Mängeln des Einsatzes. Statt Transparenz herzustellen und die Fehler einzugestehen, statt die Fehlerquellen zu analysieren und Konsequenzen daraus zu ziehen, versucht CDU-Innenminister Beuth bis heute, die Dinge zu verharmlosen, kleinzureden und unter den Teppich zu kehren. Die neue Fehlerkultur bei der hessischen Polizei, die er angemahnt hat, scheint den Minister selbst nicht erreicht zu haben.
Nicht nur die Hinterbliebenen der Toten von Hanau haben das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden des Landes Hessen verloren, weil der Innenminister eine ehrliche Aufarbeitung dessen, was in der Tatnacht auf Seiten der Polizei geschehen ist, blockiert. Sein Umgang mit den Fakten ist bedenklich, sein Verhalten gegenüber den Familien der Anschlagsopfer und gegenüber der Öffentlichkeit ist unerträglich.
Im Lichte der gesicherten Erkenntnisse, die Forensic Architecture zu Tage gebracht hat, ist Peter Beuth als Innenminister endgültig untragbar geworden. Er ist eine schwere Belastung für die Landesregierung, für die hessische Polizei und für die Menschen, die der Polizei und ihrer politischen Führung nicht mehr vertrauen können. Dass der neue Ministerpräsident Boris Rhein dennoch entschieden hat, Herrn Beuth im Amt zu lassen, ist entweder ein Zeichen von Schwäche – oder ein Zeichen von politischer Ignoranz.“