Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum Mordfall Lübcke (UNA 20/1) hat heute den amtierenden Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Boris Rhein, vernommen. Rhein war von Februar 2009 bis August 2010 Staatssekretär und bekleidete als direkter Nachfolger von Volker Bouffier bis Januar 2014 das Amt des Innenministers. Unter Rhein unterliefen dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) mehrere Fehler. So wurde beispielsweise der spätere Mörder von Dr. Walter Lübcke, Stephan Ernst, auf einem Foto nicht erkannt, obwohl eindeutige Informationen zu der Person auf dem Foto vorlagen, die eine Identifizierung als Stephan Ernst erlaubt und somit die Sperrung seiner Akte in jedem Falle verhindert hätten. Auf dem Bild zu sehen war Ernst bei einer einschlägigen Sonnenwendfeier. Außerdem wurde eine entscheidende Information zu einschlägigen Aktivitäten nicht an die Waffenbehörde der Stadt Kassel weitergeleitet, die die Erteilung einer Waffenbesitzkarte an den Rechtsextremisten Markus Hartmann hätte verhindern können.

Der Obmann der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss, Günter Rudolph, sagte zur Vernehmung von Boris Rhein: „Die Ausschussmitglieder mussten sich heute mehrere Minuten lang das Eigenlob des Ministerpräsidenten über vermeintliche Errungenschaften im LfV während dessen Amtszeit anhören. Rheins offensichtlicher Versuch, damit über Fehler und strukturelle Mängel im Landesamt hinwegzutäuschen, die auch in den rund fünf Jahren seiner Verantwortung nicht behoben wurden, ist allerdings gründlich misslungen. Die Vernehmungen der ehemaligen Präsidenten des LfV waren diesbezüglich eindeutig. Im Landesamt mangelte es an vielem, seien es Kapazitäten für eine nachrichtendienstliche Analyse oder ein professionelles Informationsmanagement. Und auch ein Herr Rhein hat während seiner Amtszeit daran nichts geändert.“

Rudolph kritisierte die fehlende Selbstkritik seitens der verantwortlichen Personen. „Die Verantwortung für mangelhafte Aktenführung, unterlassene Fortbildung, fehlende Vertretungen auf Arbeitsebene, unzureichende Qualifikation der Mitarbeiter und ein fehlerhaftes Löschverfahren wird überall gesucht, nur nicht im eigenen Haus. Insbesondere die zentrale Frage des Untersuchungsausschusses, wie Stephan Ernst vom Radar der Sicherheitsbehörden verschwinden konnte, blieb auch heute leider unbeantwortet“, so Rudolph.