Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zu den Umständen der Ermordung von Dr. Walter Lübcke (UNA 20/1) hat sich heute vor allem mit der Sperrung der Personenakte des Rechtsterroristen Stephan Ernst befasst.

Als Zeugin geladen war unter anderem eine ehemalige Sachbearbeiterin des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), die seinerzeit mit der Sperrung der Akte von Ernst sowie mit der Erarbeitung eines Verfahrens zu Vereinfachung von Aktensperrungen befasst war.

Im LfV hatte sich bis Ende 2014 ein Überhang an 1.345 Akten angesammelt, die vor einer Umstellung der Datenverarbeitungssysteme gesperrt werden sollte, um den Übertrag der Daten zu vereinfachen. Die Zeugin äußerte vor dem Ausschuss wiederholt ihren Unmut über die Vorgaben ihrer Vorgesetzten, mit denen sie nicht einverstanden gewesen sei. Sie habe ein Verfahren entwickeln müssen, das die Sperrung von Akten vereinfachen sollte, obwohl dieses Vorhaben aus ihrer fachlichen Sicht falsch war.

Der Obmann der SPD-Landtagsfraktion im Untersuchungsausschuss, Fraktionsvorsitzender Günter Rudolph, sagte dazu: „Dass die Zeugin Fehler im Umgang mit der Personenakte von Stephan Ernst eingeräumt hat, zeugt von Größe, Rückgrat und Verantwortungsbewusstsein. Eine solche Fehlerkultur würde ich mir seit langem schon auch vom hessischen Innenminister wünschen. Der Hauptfehler lag aber erkennbar nicht bei der Mitarbeiterin des LfV, die gegen ihre fachliche Expertise handeln musste, sondern im System: Offensichtlich ging es beim hessischen Verfassungsschutz im Vorfeld der Datenbankumstellung drunter und drüber. Mit der Aussage der Zeugin ist die Erklärungsnot, in der sich Landesregierung und insbesondere CDU-Innenminister Beuth befinden, noch einmal größer geworden. Die eklatante Fehleinschätzung des Gefährdungspotenzials von Stephan Ernst und der Umgang mit dessen Personalakte zeichnen das verheerende Bild einer Verfassungsschutzbehörde, bei der entscheidende Akteure gleich an mehreren Stellen in einer nicht zu entschuldigenden Art und Weise versagt haben. Und es ist schwer zu ertragen, dass bis heute niemand bereit ist, die politische Verantwortung für dieses Versagen zu übernehmen.“