Der Untersuchungsausschuss zur Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke (UNA 20/1) hat heute Vormittag in seiner 18. Sitzung einen Mitarbeiter des Staatsschutzes Nordhessen als Zeugen vernommen. Im Zentrum stand dabei das Gruppenfoto von einer Sonnenwendfeier aus dem Jahr 2011, das die Polizei sicherstellen konnte. Es zeigte den Verurteilten Stephan Ernst mit zehn anderen Personen aus der nordhessischen Neonazi-Szene. Das Foto wurde allerdings erst nach dem Mord an Dr. Walter Lübcke vom Landesamt für Verfassungsschutz richtig zugeordnet.

„Warum die Polizei über das Knowhow verfügt, Stephan Ernst auf einem Bild eindeutig zu identifizieren, das Landesamt für Verfassungsschutz aber nicht, ist und bleibt eine der vielen Frage im Untersuchungsausschuss“, so Günter Rudolph, der Obmann der SPD-Fraktion.

Ein weiteres Rätsel, so Rudolph, sei die Einschätzung zur Gefährlichkeit der Szene allgemein und der Person Ernst im Besonderen: Der Zeuge habe den Mörder des Regierungspräsidenten trotz einer Jahrzehnte währenden kriminellen Vita, einer dicker Strafakte und eindeutigen internen Vermerken des LfV nicht als besonders gefährlich eingestuft. „Wie Minister Beuth die Mär vom abgekühlten Rechtsextremisten mit dem Widerspruch übereinbringt, dass Ernst noch Ende 2013 in einer besonderen Rechtsextremismus-Datei der Polizei gespeichert war, wird er uns spätestens hier im Ausschuss persönlich erklären dürfen“, kündigte Rudolph an, und sagte: „Die 2011 nach dem Auffliegen des NSU propagierte Zäsur in der Arbeit der hessischen Sicherheitsbehörden war offenkundig nicht mehr als ein Lippenbekenntnis aus dem Innenministerium.“