Zur Ankündigung des Kultusministers, im kommenden Schuljahr eine zusätzliche Deutschstunde für Drittklässler einzuführen, erklärt der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Christoph Degen:

„Und wieder inszeniert der Kultusminister viel Lärm um fast nichts. Eine zusätzliche Deutschstunde im neuen Schuljahr auch in der dritten Klasse einzuführen, ist keine Großtat, sondern bloß ein Feigenblättchen, das nicht verdecken kann, wie sehr der Minister in der Frage der Grundschulen versagt hat.

Das beginnt schon mit der Tatsache, dass die zusätzliche Deutschstunde gar nicht qualifiziert erteilt werden kann, weil es gar nicht genug Lehrkräfte dafür gibt. An den Grundschulen ist die Personaldecke bekanntermaßen besonders dünn, und sie wird im dritten Corona-Winter noch dünner werden. Das wirft die Frage auf, wie die einhundert Stellen besetzt werden sollen, die rechnerisch je Jahrgangsstufe notwendig sind, um die Deutschstunde zu erteilen. Bisher ist keine Maßnahme in Sicht, die wirken könnte.

Unsere Forderung, die Kapazitäten an den Universitäten zu erhöhen, hat Schwarzgrün zwar aufgegriffen, aber eben viel zu spät. Der Studienplatzaufwuchs greift erst in ein paar Jahren, wenn überhaupt. Wie aus einem aktuellen Berichtsantrag zum Praxissemester hervorgeht, ist die Zahl der Absolventinnen und Absolventen für das Grundschullehramt in Hessen rückläufig.

Auch mit der zusätzlichen Deutschstunde – die aufgrund des Personalmangels eher theoretischer Natur ist – hat Hessen deutschlandweit eine der niedrigsten Wochenpflichtstundenzahlen an den Grundschulen. In Hamburg und Rheinland-Pfalz sind für die Dritt- und Viertklässler längst 27 Unterrichtsstunden in der Woche Pflicht, in Bayern sogar 28 in der 3. und 29 in der 4. Jahrgangsstufe. Das bedeutet: Dort gibt es schon jetzt mehr Unterrichtszeit für Mathe, Deutsch und Sachunterricht. Demgegenüber hat Hessen auch mit der dritten Deutschstunde nun lediglich 25 + 1 Pflichtstunden in der Woche – und das auch nur auf dem Papier.

Die Bildungssprache Deutsch zu lernen, ist wichtig, denn es handelt sich hierbei um eine Grundvoraussetzung für den schulischen Erfolg. Genau deswegen brauchen wir dafür qualifizierte Lehrkräfte. Aber in Hessen darf jeder Laie bis zu fünf Jahre lang unterrichten, ohne irgendwelche Qualifikation. Gleichzeitig haben Lehrerinnen und Lehrer, die über langjährige Berufserfahrung als Grundschullehrkraft in anderen Bundesländern verfügen und teilweise sogar ein 2. Staatsexamen für Haupt- und Realschule vorweisen können, in Hessen nur dann die Aussicht auf Anstellung, wenn sie noch einmal anfangen zu studieren und Zusatzprüfungen in den Fächern Deutsch und Mathematik sowie in Grundschuldidaktik ablegen. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus. Statt nachweislich qualifizierten Lehrkräften, die an unseren Grundschulen dringend gebraucht werden, den roten Teppich auszurollen, legt Schwarzgrün ihnen nach Kräften Steine in den Weg. Kein anderes Bundesland erschwert es qualifizierten Quereinsteigerinnen und -einsteigern in so einem extremen Maß, eine unbefristete Stelle zu bekommen. Das kann sich unser Land nicht länger leisten, schon gar nicht mit Blick auf die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung und Betreuung.

Und schließlich muss daran erinnert werden, dass der Kultusminister die Rahmenbedingungen zum Erlernen der Bildungssprache Deutsch für geflüchtete Schülerinnen und Schüler durch größere Lerngruppen gerade erst verschlechtert hat Das Deutschlernen für die einen soll also ausgebaut werden, während bei den anderen gekürzt wird. Das ist doch absurd.“